Modorimasu

Modorimasu – Blog zur Japanreise im Sommer 2012, 2019 und Un-/Interessantes in und rund um Japan

Donnerstag, 23. August 2012

Nakasendō und die Angst vor nichtmenschlichen Begegnungen

Wir mögen Tiere, auch solche, die gewöhnungsbedürftig sind. Aber wir mögen auch nicht alle Tiere.
Am Abend des 18. Juli, also am Abend vor unserer Weiterreise nach Magome, lasen wir durch Zufall im Netz, dass es in unserer Minshuku in Magome Bettwanzen geben soll.

P A N I K !!!


Wir schauten sofort, ob wir noch stornieren konnten, das ging aber natürlich am Vorabend nicht mehr, ohne die gesamten Übernachtungskosten zu verlieren, die nicht unerheblich waren, auch wenn es sich "nur" um eine Minshuku handelte - naja, schließlich handelte es sich ja um eine Unterkunft in einem Bilderbuchdorf auf dem Nakasendō, 


 

dem uralten Postweg landeinwärts zwischen Kyoto und Edo, den es bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert gibt. 
 
Aber nun zu den Bettwanzen: Ich fühlte mich an meine erste und letzte Begegnung mit Bettwanzen in einer riesigen Billigabsteige in London vor zig Jahren erinnert. Auch wenn häufig behauptet wird, dass Bettwanzen nicht alle Menschen mögen, wusste ich aus leidvoller Erfahrung, dass ich leider zu der Gruppe zählte, die sie nur zu gern anzapften.

Sollten wir uns eine Alternative suchen? Dazu hatten wir weder die Zeit noch die Mittel. Und wer sagt denn, dass es woanders keine Bettwanzen gibt??? Fieberhaft überlegten wir, was wir tun sollten.

Die hektische Suche nach irgendwelchen Chemikalien in den Drugstores führte zu nichts. Es gab jede Menge Gift gegen Kakerlaken und anderes Getier, aber nicht gegen Bettwanzen oder mein Casio-Übersetzer hat Mist gebaut, wir wissen's nicht. Unsere Sorge galt nicht nur den fiesen, extrem hartnäckigen Bissen auf der Haut, sondern auch und vor allem der Gefahr, diese Viecher zu verschleppen.

Aus diesem Grund kauften wir schließlich riesige Mülltüten, in die wir die Rucksäcke packen wollten, damit sich die Viecher nicht in unser Gepäck schmuggeln konnten. Klebeband zum sicheren Verschließen der Mülltüten hatten wir noch zur Genüge, weil wir zuvor Samohts Rucksack notdürftig zusammengeflickt hatten. Wir hatten sogar Outdoor-Bettlaken dabei, die gegen Insekten imprägniert sind. Die hatten wir eigentlich gegen Mücken und evtl. unsaubere Unterkünfte eingepackt, daher hatten wir natürlich keine Ahnung, ob sie uns auch vor Bettwanzen schützen würden...

Mit einem entsprechend mulmigen Gefühl setzten wir also am folgenden Tag unsere Reise fort. Im Nozomi fuhren wir zunächst nach Nagoya und nahmen dort einen Kōsokubasu (= Autobahnbus) direkt nach Magome. An der Autobahn bei Magome packten wir zunächst im Grünen unser Gepäck um.

Auf dem Weg von der Autobahn nach Magome

Uns war nämlich die Idee gekommen, dass wir - wenn es auch in Magome, wie in allen japanischen Orten, die wir je besucht haben, Schließfächer gibt - nur die allernötigsten Utensilien in unsere Unterkunft mitnehmen und den Rest in die Schließfächer schließen könnten.

Wir hatten Glück! Nach einem kurzen, heißen Marsch von der Autobahn bis in den Ort hinein fanden wir - wenn auch kleine, aber immerhin - Schließfächer! Wir nahmen unsere großen Rucksäcke auseinander, damit sie und deren Inhalt in 4 kleine Schließfächer passten. Nur noch mit dem Nötigsten (d.h. Waschkram, Mülltüten, Klebeband und Anti-Insektenlaken) in je einem kleinen Tagesrucksack bewaffnet, setzten wir unseren Weg fort.


Ankunft im malerischen Magome
 
Wir beschlossen, in der Herberge Bescheid zu sagen und dann mit dem Gepäck unsere Wanderung nach Tsumago entlang des Magome-Tōge zu unternehmen und erst nach der Rückkehr einzuchecken. In unserer Herberge, die sehr hübsch und gepflegt aussah, wurden wir herzlich willkommen geheißen. Man informierte uns darüber, dass sowohl in Tsumago als auch in Magome alle Restaurants um 17 Uhr schließen, aber dass die Wirte uns zur Not noch eine Kleinigkeit zubereiten könnten, sollten wir hungrig zurückkehren.

So begannen wir unsere Wanderung auf dem berühmten Weg, den laut Yoshikawa schon Musashi mit Otsū und Musashis Schüler Jōtarō vor so vielen Jahrhunderten gegangen sind. Die Wanderung war trotz der sengenden Hitze, die schon Kopfschmerzen bereitete, wunderschön.









Wir sind an zig Bärenglocken vorbeimarschiert, waren aber gut geschützt, weil Samoht sich eine Bärenglocke an seinen Rucksack geschnallt hat und sich anhörte wie eine Almkuh.





Als die Hitze unerträglich wurde, kamen wir am Otaki und Metaki (der männliche und weibliche Wasserfall) vorbei, deren Gischt für eine herrliche Abkühlung sorgte. 



Otaki


Otaki

Metaki
  


Auf dem Weg nach Tsumago


In Tsumago kamen wir völlig dehydriert und überhitzt an. 

Ankunft in Tsumago

Wir aßen Kakigōri und wollten dann völlig erschöpft schauen, wo der Bus nach Magome abfährt - dann gab es DEN Wolkenbruch, den unser 16 Uhr-Foto vom 19.07. (1600-uhr-bild-19072012) festgehalten hat. 
 
Auf unserer Wanderung waren wir im Wald auch einer Schulklasse begegnet, von der Samoht begeistert auf Englisch begrüßt wurde. 


Die trafen wir dann am späten Nachmittag in unserer Minshuku wieder. Ich konnte erst ab 18:30 duschen, da die Schulklasse sowohl die Damen- als auch die Herrenbäder durcheinander benutzte. Als ich dann ins Bad kam, waren alle Ausgüsse mit dicken Haarbüscheln und Seife verstopft, so dass das Wasser gar nicht mehr abfließen konnte. Es war eine ziemlich eklige Angelegenheit. Danach haben wir alle Rucksäcke in Mülltüten verpackt, 


 
um die Futons herum ein Tape mit der Klebeseite nach oben geklebt, so dass die Bettwanzen - sollten sie die Idee haben, zu uns zu spazieren, daran klebenbleiben mussten. Nachdem Samoht ein paar Mal selbst am Tape hängenblieb und es fluchend neu kleben musste, haben wir uns mit Autan eingeschmiert, uns in die Anti-Insektenlaken gewickelt und die ganze Nacht das Licht brennen lassen, weil mir nach meinem Londoner nightmare jemand gesagt hatte, dass die Wanzen erst bei Dunkelheit herauskämen. 

Es war, wie man sich unschwer vorstellen kann, eine herrlich entspannte Nacht. 

Aber wir sind unversehrt da wieder herausgekommen und haben keine Bettwanzen nach Fujimi verschleppt. 

Wir wissen nicht, weshalb wir unversehrt aus dieser Sache herausgekommen sind. Vielleicht war das, was wir im Netz gelesen hatten, ein Fehlalarm und es gab dort gar keine Bettwanzen. Vielleicht haben wir uns nur verrückt gemacht, statt unseren Aufenthalt in dieser wunderschönen Gegend einfach zu genießen. Vielleicht hatten wir Glück und unser Zimmer war nicht befallen. Vielleicht aber hat eine oder haben mehrere unserer Maßnahmen eine unliebsame Begegnung verhindert. 

In jedem Fall ist uns nichts passiert und abgesehen vom Damenbad nach der Heimsuchung durch die Schulklasse hatten weder die Wirte noch die Unterkunft uns einen Anlass zur Klage gegeben, im Gegenteil. Daher haben wir beschlossen, hier den Namen unserer Herberge nicht bekannt zu geben. 


Magome am Abend

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